Grundbegriffe zur Literaturgeschichte

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Antike Literatur

Literatur des griechisch-römischen Altertums. Sie wirkt befruchtend auf die Literatur des
Mittelalters und alle späteren Epochen der europäischen Literatur. Zur Zeit des
Humanismus und der Renaissance sowie der deutschen Klassik wird sie in Form und
Gehalt zum Vorbild der Dichtung und Dichtungstheorie.

Aufklärung

Epoche der europäischen Geistesgeschichte, die durch Anwendung der kritischen
Vernunft eine moderne Kultur und Gesellschaftsordnung zu schaffen sucht.

Avantgarde

Die Vorkämpfer für eine in Form und Gehalt neue literarische Richtung.

Barock

Als Epochenbezeichnung in der Literatur- und Kunstgeschichte für das 17. Jahrhundert
gebräuchlich.

Biedermeier

Epochenbezeichnung für die unpolitische bürgerliche Dichtung zwischen Romantik
und Realismus.

Blut- und Boden-Literatur

Sammelbegriff für die vom Nationalsozialismus geforderte Verherrlichung der
bäuerlichen Lebensform. Hauptinhalt sind die Treue zum Blut (Sippe, Volk, Rasse) und
zum Boden (Scholle, Heimaterde).

Dadaismus

Nach den kindlichen Stammellauten ›dada‹ benannte antibürgerliche Kunst- und
Literaturdichtung (etwa 1916-1924), die ästhetische Gesetze ebenso ablehnt wie
logische Zusammenhänge.

Empfindsamkeit

Bewegung (etwa 1740 bis 1780) gegen die Vorherrschaft des Rationalismus.

Expressionismus

Literarische Bewegung zwischen 1910 und 1925. Sie wendet sich gegen die
Selbstzufriedenheit des Bürgertums, gegen fortschreitende Technisierung aller
menschlichen Bereiche und strebt nach Erneuerung des Menschen, indem sie seiner
Existenz einen neuen Sinn zu geben sucht. Die Dichtung soll Ausdruck des Gefühls
und seelischen Erlebens sein. Telegrammartige Verkürzung, Wortballung, kühne
Wortbilder und ekstatischer Ausruf sind die wesentlichsten Kennzeichen. In der Lyrik
findet der Expressionismus seinen reinsten Ausdruck.

Flugschrift

Meist anonyme oder pseudonyme Druckschrift, die in polemischer Form zu
politischen, religiösen und sozialen Fragen Stellung nimmt und die Volksmeinung
beeinflussen will. Blütezeit der Flugschriftenliteratur sind Reformation und
Gegenreformation. Als Berichte von Katastrophen, Unglücksfällen,
Kometenerscheinungen und Naturwundern sind die Flugschriften Vorläufer der
Zeitungen.

Genie

Vom Sturm und Drang wird im Gegensatz zum Gelehrten und formal geschulten
Dichter der Aufklärung das ›Original-Genie‹ zum Ideal erhoben, dessen Schaffen durch
Ursprünglichkeit, Intuition und Spontaneität gekennzeichnet ist.

Heimatkunst

Literarische Strömung etwa seit 1900, die sich gegen Industrialisierung, Technisierung
Verstädterung und Intellektualisierung des Lebens richtet. Die grossen Vorbilder sind
Gotthelf, Stifter, Storm und Keller. Deutsches Volkstum, heimatliche Landschaft,
dörfliche Lebensweise, Natur und Tierwelt bilden den Inhalt der Werke dieser
Richtung. Im Dritten Reich werden diese Tendenzen in der sogenannten Blut- und
Boden-Dichtung fortgesetzt.

Heldenepos

Es entsteht aus dem älteren, kürzeren Heldenlied durch ausführliche Ausgestaltung von
Szenen und Situationen und durch Zusammenfassung mehrerer Lieder (Nibelungenlied).

Heldenlied

Germanische Liedform der Völkerwanderungszeit, in der sich das tragische
Einzelschicksal vom Zeithintergrund abhebt (Hildebrandslied).

Höfische Dichtung

Dichtung der Stauferzeit (1150-1250); sie ist Ausdruck einer ritterlich adeligen
Standeskultur.

Humanismus

Die wissenschaftliche Bewegung zur Zeit der Renaissance, die die antike Literatur und
Geisteswelt wiederentdeckt und ihre Formen und Gehalte zur Richtschnur der eigenen
literarischen Schöpfungen macht. Der Humanismus wird in Italien durch die Werke
Dantes und Petrarcas geistig vorbereitet. Von deutschen Studenten, die an italienischen
Universitäten studiert haben, wird der Humanismus in Deutschland verbreitet, wo er
durch die Reformation seine besondere Prägung erhält.

Impressionismus

Von der französischen Freilichtmalerei - nach Claude Monets Bild ›l'impression'‹ von
1874 benannt - auf die Literatur der Zeit zwischen 1890 und 1910 übertragen. Im
Gegensatz zum Expressionismus und Naturalismus sucht der Impressionismus
Sinneseindrücke und Seelenzustände, Stimmungen und Empfindungen in feinsten
Nuancen wiederzugeben. Er steht dem Symbolismus nahe.

Interlinearversion

Erste Übersetzungsversuche geistlicher lateinischer Texte ins Althochdeutsche. Die
deutsche Bedeutung wird zwischen die Zeilen des lateinischen Textes geschrieben.

Junges Deutschland

Dichtergruppe um 1830-1850, die sich in ihren Werken zeitkritisch mit der politischen
und sozialen Situation auseinandersetzt.

Meistersang

Vom Minnesang beeinflusste und von bürgerlichen Zunfthandwerkern geschaffene
Kunstform, die strengen Formgesetzen unterliegt.

Minnesang

Höfische Lyrik des Hochmittelalters, die als Gesellschaftsdichtung - ausgehend von
Südfrankreich - in der Stauferzeit von ritterlichen Sängern und Dichtern in Deutschland
gepflegt wird.

Mystik

Religiöse Bewegung, die durch die Versenkung in die eigene Seele zur Einswerdung mit
Gott (unio mystica) gelangen will. Die Mystik ist eine der wichtigsten schöpferischen
Kräfte der deutschen Sprache.

Naturalismus

Allgemein naturgetreue Darstellung der Wirklichkeit ohne Stilisierung, Idealisierung
oder subjektive Deutung. Umfasst als gemeineuropäische literaturgeschichtliche
Epochenbezeichnung etwa die Zeit von 1880 - 1900. Der deutsche Naturalismus steht
unter dem Einfluss von Zola, Tolstoj und Dostojewski, Ibsen und Strindberg. Er
entnimmt seine Themen meist der Schattenseite des Lebens: Armut, Grossstadtelend,
Krankheit, Verbrechen. Seine Haltung ist gesellschaftskritisch.

Pietismus

Bewegung (etwa 1670-1740), in der das Gefühlserlebnis und seelischen Regungen
wichtig sind. Persönliches Gotteserlebnis, Herzensfrömmigkeit und Nächstenliebe
sowie Entfaltung der geistig-seelischen Kräfte verbinden ihn mit der Mystik.

Realismus

U.a. ein Epochenbegriff. Bezeichnet für nahezu alle europäischen Literaturen die Zeit
zwischen 1830 und 1880.

Renaissance

Wiedergeburt bzw. Wiederaufleben einer vergangenen Kulturepoche. Im engeren Sinn
die Epoche des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit (etwa 1350-1600).
Ausgangspunkt und Zentrum der Renaissance ist Italien.

Rokoko

Begriff der bildenden Kunst, der, auf die Literatur übertragen, die heitere, erotisch
galante Poesie der Zeit von etwa 1730-1750 bezeichnet.

Romantik

Literaturepoche von etwa 1798 bis etwa 1830.

Schäferdichtung

Auch arkadische, bukolische Dichtung oder Hirtendichtung genannt. Sie errichtet - oft
im Gegensatz zur unruhigen und friedlosen Wirklichkeit - das künstliche Paradies einer
einfachen, naturnahen Schäferwelt.

Scholastik

Philosophisch-theologisches System, das sich auf die christliche Offenbarung und die
aristotelische Philosophie gründet und Wissen und Glauben zu vereinigen sucht.

Spielmann

Fahrender Sänger und Musiker, besonders des Hochmittelalters, der ursprünglich nur
die mündlich überlieferte Heldendichtung vorträgt, später aber selbst als Dichter
auftritt.

Sturm und Drang

Epoche der deutschen Literatur von 1767 bis 1785 (auch Geniezeit genannt), benannt
nach dem gleichnamigen Drama von Klinger. Sie entsteht als Gegenbewegung zum
Verstandeskult der Aufklärung und verherrlicht das ›Original-Genie‹.

Surrealismus

Dem Symbolismus nahestehende und vom Dadaismus und der Psychoanalyse Freuds
beeinflusste Strömung der modernen Kunst und Literatur, die von Frankreich in der Zeit
nach dem Ersten Weltkrieg ausgeht. Sie will die Überwindung des Realen und
Logischen durch Aufhebung der Grenzen zwischen Wirklichkeit und Traumwelt
erreichen und durch paradoxe Kombinationen eine hintergründige Realität, eine
Überwirklichkeit darstellen. In der deutschen Literatur finden sich surrealistische Elemente
bei A. Döblin, H. Kasack und besonders bei F. Kafka.

Symbolismus

Von Frankreich ausgehende, gegen den Naturalismus gerichtete Bewegung. Sie sieht
die Aufgabe der Dichtung nicht in der Abbildung der Realität, sondern will mit Hilfe
einer kunstvoll gestalteten musikalischen Sprache und oft eigenwilliger Symbolik eine
tiefere Wirklichkeit erschliessen.

Tagelied

Gattung des europäischen Minnesangs, deren Thema der Abschied zweier Liebenden
im Morgengrauen ist. Oft leitet der warnende Ruf des Wächters das Lied ein; von ihm
geweckt, beteuern Ritter und Dame in Rede und Gegenrede ihre Liebe und ihren
Abschiedsschmerz.

Troubadour

Provenzalische Bezeichnung für den ritterlichen Minnesänger und Dichter.


Vagantendichtung

Lyrik der fahrenden Kleriker des Hochmittelalters, in der Ungebundenheit und
Lebensgenuss verherrlicht wird. Die bekannteste Sammlung der Vagantenlyrik sind die
Carmina Burana.

Zauberspruch

Heidnisch-germanischer Spruch kultisch-magischen Inhalts, der Unheil und Dämonen
abwehren oder die Hilfe guter Mächte herbeirufen soll. Er beruht auf dem Glauben an
die magische Kraft des Wortes.